Martina Kügler
1945
geb.
in Schreiberhau/ Schlesien; |
1963 - 1966
Ausbildung als Farblithographin |
1966 – 1972
Studium an der Städelschule in Frankfurt am
Main bei Johann Georg Geyger |
gestorben am 9.12.2017 |
Martina Kügler lebte und arbeitete in Frankfurt am
Main |
Dieser Bleistift, liebe Martina, wurde in Deinen
Händen zu einem allmächtigen Zauberstab: Als Künstlerin warst Du eine
begnadete Zeichnerin!
Oft klagtest Du über Deine Einsamkeit. Einsam
warst Du zwar, aber nicht alleine, denn eine Reihe guter Freunde war immer
für Dich erreichbar. „Wer Figurenzeichnet“, sagtest Du mit einmal, „dem
fehle das Gegenüber.“ Mit Deinem Stift aber schufst Du Dir mit Deinen
Figuren ein lebendiges Gegenüber; Grapheme der Einsamkeit. Doch auch wenn
sie heiter zu sein schienen: stets haftete ihnen etwas Tragisches an. Mit
dem Stift behauptest Du Dich gegen die Leere des weißen Blattes, schufst Dir
eine Welt von Figuren, die das Gewicht der Welt von sich abgeworfen haben.
Mit Deinen
Gestalten hast Du Dich selber täglich neu
gezeugt!
Deine Wahrnehmung war nach innen
gerichtet; ein Schauen mit geschlossenen
Augen. „Der Sinn für Poesie“, schrieb NOVALIS, „stellt dar Undarstellbare
dar. Er sieht das Unsichtbare, fühlt das Unfühlbare.“ Was Du bildhaft zum
Ausdruck brachtest, ist schwer nur in Worte zu fassen.
Poetisch sind auch die kleinen Zeichnungen von Paul
Klee, die Du liebtest. Doch während er sich stärker am Rationalistischen
orientierte, neigtest Du Dich eher dem Unbewussten zu. Was Dich wieder in
seine Nähe rückt, ist aber die Ferne zur diesseitigen Welt. „Je
schreckensvoller die Welt, desto abstrakter die Kunst,“ notierte Klee in
seinem Tagebuch, „während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst
hervorbringt“. Deine Arbeiten entstiegen einer Innenschau. Dabei hast Du
einen unverwechselbaren Stil gefunden.
Mit jeder Linie, die Du auf Papier zaubertest,
spanntest Du Dir ein Seil, auf dem Du über den Abgründen des Lebens
balanciertest. Dein Leben selbst war ein Hochseilakt, und wenn man
abstürzte, dann ganz. Doch Du wahrtest – durch Deine Begabung zur Kunst -
die Balance und konntest über all die Jahre das Gleichgewicht halten. Das
geben auch Deine wunderbaren Collagen zu erkennen: Du bist eine meisterhafte
Jongleuse der Farben und Formen, der es gelungen ist, auch die Gegensätze
immer wieder zur Einheit zu bringen.
Der Zeichenstift war Dein Lebensmittel, die
gezeichnete Linie Dein Lebensnerv.
Mit ihm aber holtest Du auch die Welt der Worte ins
Gehäuse Deiner Einsamkeit. In Deinen Gedichten, die Du insbesondere in den
letzten Jahren auf beinahe manische Weise hervorbrachtest, versammeltest Du
die Worthülsen einer zersplitterten, fragmentierten Welt und ließest sie
wild miteinander kopulieren, wobei die heitersten hybriden Wesen entstanden.
Von Deinen Wortschöpfungen warst Du oft selbst überrascht und konntest Du
Dich selbst darüber sehr amüsieren. Fern vom Weltgetümmel, hast Du Dir mit
Deinem Wortgetümmel eine eigene Welt erschaffen.
In einem Text aus dem Jahre 1980 schriebst Du:
„Das Mädchen aus dem Herzen/
Die Leierblume holt.
Auch, armer Leierkastenmann/
Sag, dass es auch Blumen regnen kann“
Liebe Martina, nun hast Du selber auf stille Weise
das Gewicht der Welt von Dir abgeworfen. Du wirst uns als Mensch und mit
Deinem Werk unvergessen bleiben, und wir sind uns sicher, dass dort, wo Du
nun bist, es auch Blumen regnen kann!